Donnerstag, 9.November 2006: Beim Coiffeur
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Donnerstag, 9.November 2006: Wir dürfen mit Wolfgang im Auto mitfahren, nach Hammamet Stadt. Ich steige bei der Medina aus und hole die Wäsche ab. Paul und Wolfgang gehen in X Geschäfte um Einbauteile für den Einbau des neuen Wassermachers zu suchen. Wir wollen uns in einem bestimmten Teehaus, in der Nähe des Bahnhofs, wieder treffen. Weil ich viel zu früh dran bin, entschliesse ich mich ganz spontan, zum Coiffeur zu gehen. Letztes mal, aber bei einem anderen Friseur, hat das 15 Minuten gedauert.
Es hat sehr, sehr viele Coiffeure hier und man erkennt sie daran, dass ein kleiner Wäscheständer draussen auf dem Trottoir steht. Auf diesem Wäscheständer werden die farbigen Frottierhandtücher getrocknet. Wenn ein Kunde fertig behandelt wurde, wird das Handtuch mit dem er abgetrocknet wurde, nach draussen auf den Wäscheständer gehängt. Kommt ein neuer Kunde, wird das trockenste Handtuch ausgesucht und wieder benutzt.
Zuerst muss ich ein wenig warten, man fragt mich, ob ich einen Kaffee oder eine Cola möchte. Non merci! Ich bin hier bei einem Herrencoiffeur. Ein älterer Mann in langem, weissem Gewand und bordeauxrotem Käppi wird geschoren und rasiert. Aber jetzt bin ich an der Reihe! Ich habe schampares Glück, ich bekomme nämlich 2 neue Frottiertücher aus dem Schrank!!! Nun werden meine Haare mit einer Sprühflasche pflotschnass mit Wasser genetzt und dann geht es los. Der junge Coiffeur schneidet gewissenhaft und unermüdlich an mir herum. Er schnippelt und schnippelt und will gar nicht mehr aufhören! Ich denke an Paul der bestimmt schon im Teehaus auf mich wartet.  Aber der fleissige
Coiffeur findet immer noch ein Härchen und noch eins und noch eins, das weggeschnitten werden muss. Während er rund um ein Ohr arbeitet, kitzelt mich am anderen Ohr eine freche Fliege, aber ich halte schön still. Jedesmal wenn ich denke; so, jetzt ist er aber bestimmt fertig, gibt es wieder irgendwo ein Haar, das dort nicht hingehört und das Gesamtbild stört! Und Paul wartet...Endlich scheint der Figaro mit seinem Werk zufrieden zu sein, und ich entspanne mich. Aber denkste , jetzt werden meine Haare noch gewaschen und mit einer Art Striegel bekomme ich eine fast schmerzhafte
Kopfhautmassage! Nachher beim Haareabtrocknen gibt es noch zusätzlich eine zweite, aber diesmal wohltuende Kopfmassage. Also gut, denke ich, jetzt kann es ja nicht mehr allzu lange dauern, oder? Paul wartet doch...! Nun werden mir die kleinen Härchen im Gesicht mit dem Rasierapparat entfernt. Au, hoffentlich wächst mir jetzt kein Bart!!! Jetzt kramt er in einer Schublade eine Pinzette heraus und zupft mir die Augenbrauen, die ganz widerspenstigen schneidet er mit der Schere ab!  Auch den Nasenhärchen macht er mit der Schere den Garaus! Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus! Und Paul wartet...Endlich ist es soweit, die Haare werden mit Gel geföhnt und gebrusht. Mit
Wattestäbchen werden die abgeschnippelten Härchen aus den Ohren gewischt und ganz zuletzt 
schmiert der Coiffeur mir noch eine Crème ins Gesicht, vielleicht Nivea? ohne Brille sehe ich nur,
 dass es eine blaue Büchse mit weisser Schrift ist. Das Ganze hat eine volle Stunde gedauert. Ich weiss nicht, ob das hier alles zum Standardprogramm gehört. Oder hat der Coiffeur vielleicht gedacht, dass ich eine intensive Verschönerung dringendst benötige ? Ich weiss es nicht, es kostet 5 Dinar (4.75Fr.) und ich kann diesen Service nur weiterempfehlen. Ich war bestimmt nicht zum letzten Mal hier.
Rundum erneuert eile ich jetzt zum nahen Teehaus, aber, weit und breit kein Paul oder Wolfgang zu sehen! Sehr gut, dann kann ich ja noch Brot und Gemüse kaufen gehen.
Beim Gemüsehändler fragt mich der Verkäufer, ob ich hier eine kleine Schwester habe? Nein, habe ich nicht. (d.h. habe ich schon, aber in der Schweiz: Gruss an die kleine Schwester!!!) Er sagt mir, dass er eine Deutsche Frau hier kenne, die habe das gleiche Gesicht wie ich...
Zurück im Teehaus muss ich etwa noch 40 Minuten warten (unter lauter Männern!), bis mich Paul
 und Wolfgang abholen. Sie müssen nochmals in ein Geschäft wo es alles INOX--Sachen hat. Paul gibt ein T--Stück zum schweissen in Auftrag. Der Chef verspricht ihm, morgen bis zum Mittag sei das Teil fertig und könne abgeholt werden.
Abends kommt Georg von der "BIGGI" und fragt uns, ob wir ihm eine unserer Taucherlampen ausleihen könnten. Ein Teil einer Winsch ist ihm ins Wasser gefallen und er versucht sie nun zu finden. Paul ist von 19h00 bis 21h00 bei ihm, um bei der Suche des Teils zu helfen. Sie finden es nicht und Paul ist bereit, morgen danach zu tauchen, aber nicht jetzt im Dunkeln.

Freitag, 10.November 2006: Es ist Freitag, aber nicht der 13:!!!
Mit den Velos fahren wir extra ins INOX Geschäft um das geschweisste Teil abzuholen. Das Geschäft befindet sich zwischen der Stadt Hammamet und Nabeul, etwa15 km von hier. Wir müssen 4 mal die Bahngeleise queren und ich passe höllisch auf, dass meine Veloräder nicht ins Geleise geraten. Ich weiss doch, dass das sehr gefährlich ist! Um 11h45 sind wir dort, aber das Teil ist bei weitem nicht geschweisst. Die vier Teile liegen noch lose, wie gestern, auf dem Ladentisch herum. Der Chef ist zwar sehr nett, aber er gibt dem Ingenieur (Schweisser) schuld, dass die Arbeit noch nicht gemacht wurde. Dieser meint, wir sollen um 15h00 wieder kommen, dann sei alles fertig. Was soll man da machen? Wir machen das Beste draus und setzen uns in ein einheimisches Restaurant zum Mittagessen. Zusammen essen wir einen guten Hühnereintopf mit Erbsen und guter Sauce aus dem gleichen Teller. Es heisst ja schliesslich Eintopf.
Wir fahren ein bisschen weiter und setzen uns in die Sonne vor einem Teehaus, um Kaffee und Pfefferminztee zu trinken. Gleich daneben hat es eine Patisserie. Ich hole schnell zwei Crèmeschnitten, mit einem leichten Caramelgeschmack: mmmhhh...wir essen sie sofort im Teehaus. Womit wir die Crèmeschnitten nun auch getestet hätten, und sie nur empfehlen können!
Nun wollen wir im Gewürzladen noch geröstete Mandeln und Cashew
Nüsse kaufen gehen. Gemütlich pedalen wir nebeneinander. Plötzlich, direkt gegenüber der Moschee, knallt mein Hinterkopf mit einem fürchterlichen Schlag  auf die Strasse und ich liege hilflos am Boden! Bevor ich überhaupt erfasse, was da passiert, steht Paul schon neben mir und flucht alle Schimpfwörter von A bis Z, die er kennt! Das mit A... sagt er mehrmals und in deutsch und auch auf französisch!!! Jetzt erst sehe ich, was überhaupt passiert ist. 
Ein Autofahrer in einem grasgrünen, parkierten Auto hat plötzlich seine Autotüre aufgemacht, ohne in den Rückspiegel zu schauen. Paul flippt total aus und schimpft und schimpft und will gar nicht mehr aufhören. Mir ist das furchtbar peinlich! Es ist Freitag und bei der Moschee hat es sehr viele Leute, die beim Freitagsgebet sind. Alle gaffen uns neugierig an, nur ein einziger älterer Tunesier in einer weissen Hose, kommt, hilft mir beim Aufstehen und fragt mich, wie es mir geht. Zuerst muss ich mal alle meine Knochen sortieren. Also, die beiden Arme sind noch ganz! Diesmal hat es die Beine erwischt. Aber gebrochen ist zum Glück nichts! Am linken Knie habe ich einen blauen Fleck der immer blauer wird. Am rechten Bein habe ich am inneren Oberschenkel einen zünftigen Schlag vom Lenkergriff erhalten. Ein riesiger Bluterguss (17cm im Durchmesser!) breitet sich rasant aus. Er ist dick geschwollen und sehr schmerzhaft. Paul flucht immer noch und nun muss ich erst mal ihn bremsen! Der arme Autofahrer steht ganz geknickt da und stammelt immer und immer wieder das gleiche Wort auf arabisch, was ich als "entschuldigung" interpretiere. Ich akzeptiere das, damit Paul mit seiner Fluchattacke endlich aufhört!
Als absoluter Aufsteller muss ich mich nun von Paul belehren lassen, dass man nicht so nahe an parkierten Autos vorbeifährt. Ja, genau das brauche ich jetzt!!! Aber wo hätte ich denn fahren sollen, bitte sehr? Auf der rechten Seite waren die parkierten Autos und links fuhr Paul mit dem Velo. Und ausserdem, wie soll ich wissen, dass so ein Depp, so ein elendiger, plötzlich eine grüne Autotüre aufreisst? Velofahren scheint nicht mein Sport zu sein! Man könnte nicht glauben, dass ich einmal per Velo von Pieterlen nach Paris gefahren bin, und das ohne einen Kratzer, und ein anderes Mal von Pieterlen nach Korsika auch (fast) ohne einen Kratzer.
Was soll ich jetzt machen? Mein Velo verschrotten, oder soll ich es etwa nachts im Hafenbecken versenken?
Aber, trotz allem Elend kaufen wir die Mandeln und Nüsse ein und fahren wieder zürück zum INOX-Laden. Es ist 15h00 und natürlich kein geschweisstes Teil da.  Um 15h30 kommt der Chef mit dem Auto angefahren und bringt das Teil mit. Der Ingenieur sei in der Moschee gewesen, zum Freitagsgebet, und deshalb sei das  T-Stück erst jetzt fertig geworden. Während wir auf den Chef warten, kommt der Nachbar aus dem Haus und erzählt uns, er kenne Biel und das Restaurant Royal und die Schweiz gefalle ihm sehr gut. Vor lauter Begeisterung schenkt er mir 3 wunderschöne Rosen (obwohl er nichts von meinem Unfall weiss). Inzwischen ist der Himmel total bewölkt und ich friere ziemlich in meiner kurzen Hose und dem T--Shirt. Aber es hilft alles nichts, wir müssen die 15 km zum Hafen wieder zurückfahren. Total durchgefroren kommen wir endlich um 16h30 bei der MABUHAY an.  Als erstes stürze ich mich in den warmen Trainingsanzug  und trinke einen heissen Tee.
Abends sind wir bei unseren übernächsten Stegnachbarn auf dem Schiff "Essentiel" zum Apéro eingeladen. Viola ist Deutsche und Claude Franzose. Der "Apéro" ist so reichhaltig und ausgedehnt, dass wir kein Abendessen mehr essen mögen.
Erst nachts im Bett merke ich, dass ich viel mehr blaue Flecken habe, als ich eigentlich glaubte. Zu allem Überfluss regnet es in dieser Nacht auch noch und es tropft auf mein Kopfkissen, weil die Luke nicht richtig geschlossen ist...

an diesem Steg liegt die MABUHAY
so sieht mein rechter Oberschenkel nach dem Unfall aus...

Montag,13.November 2006: Es regnet. Ich schreibe einen Brief und zwei Karten und bringe alles zur Post. Ich habe Glück, das Postfräulein beachtet mich sofort . Die Karten habe ich schon frankiert und die Angestellte schickt mich raus und ich muss die zwei Karten draussen in den Briefkasten werfen! Der Brief ist ein bisschen zu schwer geraten und deshalb wird er gewogen. Wenn ich ihn "rapid" senden will, kostet das 25 Dinar (23.75 Fr. oder etwa 15 Euro)! Wie bitte? Das sind ja Preise wie zu Hause! Nein, nein, so dringend ist das jetzt auch wieder nicht. Also dann "normal", das kostet 1.400 Dinar (1.40 Fr. oder 0.85 Euro). Ja, das tönt schon besser. Ich gebe der Postfrau eine 10 Dinarnote (9.50 Fr. oder ca. 6 Euro.) Sie hat kein Münz (Kleingeld). Sie muss zum Chef. Dieser hat scheinbar auch keins. Jetzt wendet sie sich an den Kollegen links, kein Münz! Nun kramt
sie noch ein wenig in ihrer Schublade herum und fördert eine 5 Dinarnote zu Tage. Die gibt sie mir schon mal. Wie sagt man so schön; wer sucht der findet! Und siehe da, nach weiteren Forschungen in der gleichen Schublade bekomme ich noch drei Dinarstücke. Jetzt ist aber der Vorrat an Münz in dieser Schublade erschöpft und sie schaut mich ratlos an... aha, man könnte ja noch die Kollegin rechts fragen. Und tatsächlich, diese erbarmt sich meiner und ich bekomme die fehlenden 600 Millimes ausgehändigt...

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